Die sokratische Methode

Sokrates hat, wie es in der "Apologie" heißt, seine Mitbürger "ausgefragt, geprüft und ins Gebet genommen", nicht um ihnen lehrend eine neue Wahrheit zu vermitteln, sondern nur, um ihnen den Weg zu zeigen, auf dem sie sich finden läßt. Er war kein Lehrer oder Berater im üblichen Sinn, der Schülern oder Klienten etwas beibringen oder auftragen wollte. Sokrates ließ jeden Dogmatismus weg und verzichtete auf belehrende Urteile. Sokrates ging auf den Marktplatz, an die Öffentlichkeit und sprach voraussetzungslos mit den Leuten über ihre Auffassungen und Meinungen, und darin vor allem über diejenigen, deren sie sich besonders sicher waren und in denen sie sich besonders gut auszukennen meinten.

Sokrates' Gesprächsführung beruht auf dem kreativen Zweifel, auf der bohrenden Nachfrage. Dadurch kommen die Gesprächspartner zu Klarheit und Einsicht in die eigenen Gedanken, Beweggründe, Vorurteile und allgemein zur Erkenntnis ihres Nicht-Wissens.

Die Maieutik des Sokrates, die Hebammenkunst, wie Sokrates selbst sie bezeichnet hat, fördert die je eigenen Gedanken und Denksysteme des Gesprächspartners ans Tageslicht und im Prozeß der kritischen Prüfung kommt es zu Verwandlung und zu neuer Einsicht, also einer neuen Sicht auf die Dinge. Jede Frau, jeder Mann, auch jedes Kind ist fähig zu dieser Vorgehensweise, sich 'sachverständig', selbstbestimmt, selbstorganisiert und autonom an fundamentale Fragen der Ethik, der Lebens- und Weltauffassung, der Pädagogik und Politik heranzuarbeiten und befriedigende Lösungen für sich zu entdecken.